Der Venice Simplon-Orient-Express
Eine Legende auf Schienen. Jahr für Jahr unterwegs auf klassischen Routen durch Europa.
Meine Fahrt in den 1990er Jahren mit dem Belmond Venice Simplon-Orient-Express von Venedig nach London zählt zu meinen schönsten Reiseerinnerungen. Am Tag vor der Abreise nahm ich, wie so oft, den Zug von München nach Venedig. Er erreicht den Bahnhof von Santa Lucia im Sonnenuntergang. Die perfekte Zeit für ein paar Stationen mit dem Vaporetto nach Giudecca, wo ich im Belmond Cipriani die Nacht verbringe. Mehr romantisches Hideaway als Grandhotel, liegt es – nur wenige Bootsminuten vom Markusplatz entfernt – in einem gepflegten Park mit Pool. Das damals noch eher ländliche Anwesen auf der Insel Giudecca war 1976 das erste Juwel einer bis heute einzigartigen Kollektion, die der amerikanische Container-König James B. Sherwood der Welt hinterließ.
Wie alles begann
Im Sommer 77, nur ein Jahr nach der Hoteleröffnung, war Sherwood zur rechten Zeit am rechten Ort, als die französische Eisenbahngesellschaft die Fahrten auf dem berühmten Orient Express einstellte. Sherwood kaufte 25 Original-Waggons direkt aus dem Depot der Eisenbahn und zwei weitere Prachtexemplare bei einer Auktion von Sotheby’s in Monte Carlo. Der Anfang war gemacht, danach wurde jahrelang aufwendig restauriert. 1982 rollte der Zug in ganzer Länge mit 179 Passagieren an Bord auf seiner Jungfernfahrt von Paris nach Venedig. Unter dem Logo „Orient Express“ wuchs Sherwoods handverlesene Kollektion in den folgenden Jahren auf mehr als 50 Hotels weltweit, diverse Nostalgiezüge und eine Handvoll kleiner Flusskreuzer. Heute rangiert sein gesamter Nachlass unter dem Logo Belmond in der Obhut des französischen Luxus-Konzerns LVMH.
Erinnerungen an meine Reise
Doch zurück zu meiner Fahrt, zurück nach Venedig. Am Morgen der Abreise geht es mit dem Riva-Boot des Cipriani zurück zum Bahnhof Santa Lucia. Während das Gepäck verladen wird, versammeln sich die Mitreisenden bei Cappuccino und Cornetti in der Bahnhofscafeteria. Die Damen trotz der frühen Stunde perfekt frisiert und geschminkt, zum Teil in eleganten Hosenanzügen, die Herren mit Hemd und Krawatte oder farbigen Poloshirts zum Sakko. Beim Einsteigen ist mein Butler gleich zur Stelle, begleitet mich zu einem der originalgetreu restaurierten Waggons der 1920er und 30er Jahre. Und zeigt mir, welche Service-Leistungen sich hinter den blankpolierten Messingknöpfen verbergen, während er Orangensaft aus einer Kristallkaraffe serviert und mir hübsch verpackte Badezimmerartikel für die Reise überreicht.
Beim Lunch im orientalisch angehauchten Speisewagen „L’Oriental“ kommen sich die von Champagner und Artischockenherzen mit Entenbruststreifen animierten Passagiere etwas näher. Wie ich vom Zugmanager erfahre, sollen während der Saison von März bis November insgesamt rund 8000 Flaschen Champagner auf dieser Strecke geköpft werden. Nach einem kurzen Stopp in Innsbruck rollt der Zug mit einer behaglichen Durchschnittsgeschwindigkeit von 77 Stundenkilometern durch die Schweiz Richtung Frankreich. So bleibt auch alles unter Kontrolle, als vor dem Dinner in der Bar die ersten Gläser klingen. Die Herren tragen dunkle Anzüge, die Damen Cocktail- oder Abendkleid. Gemeinsam tauchen wir in eine längst vergangene glamouröse Welt.
Am nächsten Morgen geht die Reise nach einem kurzen Halt im Pariser Bahnhof Gare du Nord weiter bis Calais, wo der erste Teil der Reise zu Ende geht. Der Venice Simplon bleibt zurück, wir fahren durch den Eurotunnel nach Dover, wo uns der nostalgische British Pullmann erwartet. Nicht weniger prachtvoll renoviert, die Original-Waggons der 1920er Jahre heißen zu Recht Audrey, Vera und Minerva. Während der Afternoon Tea mit allem Drum und Dran zelebriert wird, rollt der Zug durch die englische Countryside Richtung London, wo wir gegen Abend den Bahnhof Victoria Station erreichen.
Der Venice Siimplon heute
An Bord des Venice Simplon hat sich seit meiner Reise einiges verändert. Im April 22 ging Jean Imbert als neuer Küchenchef des berühmtesten Zugs der Welt an Bord. Für ihn ist es, wie er sagt, ein wahr gewordenen Kindheitstraum. Mit Hilfe von bekannten Designern hat er das Ambiente der drei Speisewagen – L’Oriental, Etoile du Nord und Cote d’Azur – zeitgemäß verschönern lassen – natürlich immer mit dem Glanz der goldenen Jahre im Auge. Das gastronomische Erbe des Zuges verbindet er mit seiner Leidenschaft für frische, saisonale Produkte, die er auf klassische Art zu exquisiten Menüs verarbeitet. Sei es zum Frühstück, Lunch, Afternoon Tea, zum Aperitivo im Barwagen 3674, beim festlichen Dinner oder bei einer kleinen privaten Feier in der Grand Suite.
Ab diesem Sommer schmückt sich der Zug – abgesehen von den beiden klassischen Kabinen-Kategorien – mit acht neuen Suiten, die noch mehr Luxus und Komfort bieten. In diesem Zusammenhang werden zwei weitere Originalwaggons von einem erfahrenen Handwerker- und Designer Team ausgestattet und auf die Schienen gestellt. Der Glamour-Look der 1920er und 1930er Jahre bleibt in den Suiten erhalten, Marmorbäder und Lounge-Bereiche sind neu. Den unterschiedlichen Regionen, die der Zug auf seinen Routen durchquert, werden, stilistisch angepasst, wurden vier Vorbilder berücksichtigt: La Campagne für die Landschaft, Les Montagnes für die Berge, Les Lacs für die Seen und La Foret als Hommage an den Schwarzwald, den der Venice Simplon auf seiner Reise von Prag nach Paris durchfahren wird.
Bei der Gestaltung des Speisewagens nahm sich das Team um Maxime d’Angeac das von Suzanne Lalique-Haviland entworfene „Rail“-Motiv der 1930er Jahre zum Vorbild. Im Barwagen ist die gläserne Theke der absolute Eyecatcher, eine Hommage an den großen Glaskünstler René Lalique. Ein besonderer Gag: Auf jedem Tisch kündet eine Uhr Cocktailstunde und Dinner-Time an. Der Service erfolgt auf Knopfdruck. Wer den Extra-Knopf bedient, bekommt im Handumdrehen ein Glas eiskalten Champagner serviert.
Was es zu meiner Zeit noch nicht gab, ist das im Herzen von Chelsea gelegene Hotel Belmond The Cadogan – heute häufig Endstation der erlebnisreichen Zugreise. Es gibt wohl keinen schöneren Ort als seinen privaten Garten auf dem Cadogan Square, um sich mit einem Picknickkorb zurückzuziehen und das Frischerlebte in Gedanken nochmal vorbeiziehen zu lassen.
Was man wissen sollte
Kleiderordnung
Jeans sind an Bord des Zuges nicht erwünscht. Tagsüber gilt das Motto „casual smart“. Zum Lunch sollten Herren Sakko tragen oder Blazer, am Abend gilt „Black Tie“. Man könnte grundsätzlich sagen „You can never be overdressed“
Spezielle Menüs
Es gibt besondere Menüs für Veganer und Vegetarier. Alle Arten von Sonderwünschen sollten jedoch bereits bei der Buchung bekannt gegeben werden.
Kinder
Kinder sind in Begleitung ihrer Eltern willkommen. Bis zu zwei Jahren reisen sie kostenfrei mit. Ob sie ihre Eltern in die Bar beziehungsweise ins Restaurant begleiten dürfen, liegt im Ermessen des Zug-Managers.
Hunde
Hunde und andere Haustiere sind an Bord nicht erlaubt.
Rauchen
Rauchen ist in allen Räumen verboten.
Sprachen
Englisch, Französisch und Englisch sind auf allen Strecken geläufig.
Zugverbindungen
Der Venice Simplon verkehrt nach wie vor – von März bis November – auf der Strecke zwischen Venedig und London. Auf dem aktuellen Fahrplan stehen darüber hinaus viele weitere Routen mit Stationen in den europäischen Städten Prag, Paris, Cannes, Florenz, Venedig, Rom, Verona, Wien, Innsbruck, Budapest, Bukarest, Genf, Brüssel und Amsterdam. Und einmal im Jahr die legendäre Strecke von Paris nach Istanbul.
Buchung der Zugreisen sowie der Hotels über www.belmond.com