Kulthotels
Waldhaus Sils-Maria, Engadin
Ein Grandhotel in den Bergen, ein Shangri-La von Künstlern und Intellektuellen, seit 1908 in Familienbesitz – absolut kulissenreif.
Auf die Frage, weshalb er für seinen Film „Clouds of Sils Maria“ das Engadin als Drehort gewählt hat, antwortete Filmregisseur Oliver Assayas: „In Erinnerung an frühere Dreharbeiten. An dramatische Berge und Täler und das Phänomen vorbeiziehender Wolken“. Ja, was wären das verträumteste Märchenschloss, die mächtigste Burg, die trutzigste Festung ohne ihre Kulissen? Nichts. So dachte auch der Regisseur, zog mit Hauptdarstellerin Juliette Binoche und Filmteam ins Waldhaus Sils-Maria oberhalb des gleichnamigen Dorfs, das er ebenfalls als Drehort benutzte.
Da war er bestimmt nicht der einzige. Regisseure und Reisende haben einen siebten Sinn, wenn es um das Aufspüren von Orten geht, die man am liebsten als Geheimnisse hüten möchte. Im Gegensatz zu uns Journalisten, denen es ein Anliegen ist, diese besonderen Schätze mit Menschen zu teilen, die sie zu schätzen wissen. Die Gästeliste des Waldhaus Sils wirkt als Bestätigung. Wie da wären Schriftsteller, Philosophen und intellektuelle Zeitgeister, die sich über eigene Netzwerke verständigen. An ihrer Seite nomadisierende Kulturmenschen, die sich in alle Richtungen informieren. Eine solchermaßen illustre Gemeinschaft über Jahre als Stammgäste bei der Stange zu halten, erfordert mehr als nur ein bequemes Bett und anständige Kost. Es bedarf eines weitsichtigen, zu Zeiten auch diplomatischen Gastgebers, der dieser Aufgabe gewachsen ist. Ich stelle es mir jedenfalls schwer vor, die besonderen Befindlichkeiten kauziger Künstlerseelen harmonisch unter einen Hut zu bringen.
Josef Giger und seine Familie geben da wohl ein gutes Beispiel. Was für eine ausgefallene Idee, die Kraftplatzqualität des Ortes auszuloten, indem man – über den Dächern des Bergdorfs – a priori ein Holzgerüst aufstellt, um Sichtachsen und Windverhältnisse auszuloten. Es hat sich offensichtlich gelohnt: Schaut man in alle Himmelsrichtungen, entdeckt man im Osten den Silvaplanersee, im Westen den Silsersee, im Norden die Silser Hochebene und im Süden das bilderbuchhafte Fextal. Vom ersten Tag an, also seit 1908, ist das Waldhaus in Familienbesitz, inzwischen in fünfter Generation. Claudio und Patrick Dietrich, direkte Nachkommen von Josef Giger, sind mehr als nur Hoteldirektoren. Gemeinsam mit ihrem über Jahre eingespielten Team vertreten sie die Überzeugung: „Wenn das Hotel so etwas wie ein Theater wäre, dann spielt der Gast immer die Hauptrolle.“ Offensichtlich haben sie vieles richtig gemacht: Im November 2022 wurde das Waldhaus Sils bei der jährlichen Gala der Historic Hotels Worldwide Gewinner in der Kategorie „familiengeführte Hotels“.
UNDERSTATEMENT
Als Josef Giger den Architekten Karl Koller mit der Gestaltung seiner Zauberberg-Vision beauftragte, charakterisierte er das zukünftige Hotel als „schön, praktisch & solide“. Großzügig ja, auch elegant, aber keinesfalls von irgend etwas zu viel. Dabei ist es bis heute geblieben, bei jeder Renovierung berücksichtigt. Da ist das Treppenhaus mit seinen soliden Marmorstufen, die an schweren Ketten befestigten Jugendstilleuchter, die deckenhohen Holzpaneele, die behaglichen Clubsessel vor dem Kamin, die herrliche Stuckdecke im Musikzimmer. Und viele gut erhaltene Antiquitäten in den 141 ganz unterschiedlichen Zimmern und Suiten.
Obwohl der berühmte Lesesalon, an dessen Pulten schon Albert Einstein und Hermann Hesse Zeit verbrachten, 1999 im Zuge eines Umbaus „verschoben wurde“, wirkt er gänzlich unversehrt. Mobiliar und Bibliothek blieben erhalten, durch die breite Fensterfront scheint die Natur zum Greifen nahe. Eine schöne Tradition: Verleger und Autoren treffen sich hier nach wie vor zu Lesungen oder zur Feier eines Bucherfolges. Und, man leistet sich nach wie vor ein kleines privates Hausorchester, mit Klassik am Nachmittag und Jazz am Abend. Wer sich für Vergangenes Interessiert, begibt sich im hoteleigenen Museum auf eine Zeitreise. Ein paar Fakten: 1997 drehte Claude Chabrol im Waldhaus „Rien ne va plus“, 2008 widmete Christoph Marthaler dem Haus zum 100. Geburtstag ein Theaterstück, 2009 drehte ARTE eine umfassende Dokumentation, 2021 war das Waldhaus Drehort des Filmes „The Last Note“ mit Patrick Stewart und Katie Holmes.
Ach ja, nicht zu vergessen, Kinder sind im Waldhaus willkommen. Jedes Jahr gibt es eine neue Broschüre, in der man alles findet, was Kinder glücklich macht. Wie Klettern, Paddeln oder gemeinsam Pizza oder Pfannkuchen backen.
GAUMENKITZLEREI
Überall da, wo der Gedanke an heimische Spezialitäten Pfützchen auf die Zunge zaubert, ist sich das Küchenteam einer besonderen Verantwortung bewusst. Nämlich das Althergebrachte im Auge zu behalten, mit neuen Methoden und Techniken zu verfeinern. Und alle kulinarischen Kräfte der Heimat zu bündeln. Man denkt an die guten Engadiner Bergkartoffeln, an frische Kräuter, Fleisch und Geflügel aus regionaler Landwirtschaft. Während im Restaurant Gigers Schweizer Klassiker angesagt sind, bleibt genug Platz für innovative Überraschungsmenüs in der Arvenstube sowie gemeinsame Genussmomente am Chefs Table. Der legendäre Weinkeller des Hauses ist nicht nur eine Augenweide, sondern auch zuverlässiger Garant für eine harmonische Weinbegleitung. Von den rund 30 000 gelagerten Flaschen stammen viele aus der Schweiz.
SPRENGKRAFT
Als es darum ging, mit einem zeitgemäßen Wellnessbereich den nächsten Schritt in die Zukunft zu machen, wurde wieder mal nichts dem Zufall überlassen. Um dem Haupthaus nicht die Sicht zu versperren, wurde ein tiefes Loch in den Felsen gesprengt. Jetzt sammelt sich an dieser Stelle Tageslicht in sieben großzügig geschnittenen Räumen. Das 1500 Quadratmeter-Waldhaus Spa erstreckt sich über drei Ebenen. Zu den Highlights gehören die privaten Spa-Suiten mit Dampfbad und Wellnessliegen.
Wie erwartet, kommen bei Beauty- und Wellnessbehandlungen ausschließlich naturbelassene Produkte zum Einsatz. Wie die Südtiroler Pflegeserie Team Dr. Joseph, eine vielfach ausgezeichnete Naturkosmetik auf der Basis von Wildwuchssammlungen und biologischem Anbau. Und wie bleibt man fit? Im Winter zieht man seine Bahnen im 20-Meter-Pool des Hallenbads, geht Skifahren und Schneeschuhwandern, im Sommer bleibt man mit Biken, Wandern und Wassersport in Form. www.waldhaus-sils.ch